Mercosur – ein Handelsabkommen mit Siegern und Verlierern

Die europäische und österreichische Rindfleischproduktion zählt zu den großen Verlierern!

Ein Ringen seit über 20 Jahren – Auswirkungen auf die österreichische Rindfleischproduktion
Seit 1999 verhandelt die EU mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) - so komplex und vielfältig sind die unterschiedlichen Anforderungen. Bricht man die Verhandlungspakete auf einzelne Branchen herunter, wären die europäische und damit auch österreichische Rindfleischproduktion einer der Hauptverlierer!

Die Mercosur-Länder würden in Zukunft 15 – 20 % des Edelteilaufkommens bei Rindfleisch in der EU abdecken, das entspricht ca. 3,5 Mio Rindern (vgl. In Österreich werden jährlich etwa 500.000 Rinder geschlachtet). Da auch Handelsabkommen mit anderen Ländern im europäischen Raum stehen, ist mit einem erhöhten Verdrängungswettbewerb am europäischen Markt zu rechnen. Dadurch würde es in Österreich zu einer Preisreduktion von ca. 20 % kommen. Für die heimischen Rinderbauern bedeutet das einen Rückgang des Erlöses um ca. 70 Mio. €.
Viele österreichische Rinderbauern und -bäuerinnen wären dadurch existenziell bedroht.

Hohe Produktionsstandards – Ja, aber für alle!
Forderungen nach höheren Produktionsstandards und mehr Tierwohl werden in den Medien immer lauter. Vergleicht man die Produktionskosten typischer Betriebe der Mercosur-Länder (Brasilien ~ 2,74€/kg, Uruguay ~ 3,70 €/kg €, Argentinien ~2,55€/kg) mit den österreichischen (~ 5,30 €/kg) so beläuft sich die Differenz auf durchschnittlich mehr als 2 € pro Kilo Rindfleisch (ca. +70%).
Dies ist nicht nur auf die unterschiedlichen Größen der Produktionsbetriebe zurückzuführen, sondern auch auf maßgeblich höhere Produktionsstandards in Österreich. So ist z.B. in den Mercosur-Staaten eine Rückverfolgbarkeit bis zur Geburt des Rindes nicht zu 100% gewährleistet, da es keine ausreichende Regelung bei Tierkennzeichnungssystemen gibt.
Während in Österreich in der Rindermast ca. 90 % der eingesetzten Futtermittel aus hofeigener Produktion stammen, wird in den Feedlots anderer Länder flächenungebunden die Fertigfuttermast betrieben. Hier bleibt die Frage offen, wo im Zusammenhang mit den Mersocur-Staaten die Forderung nach höheren Produktionsstandards bleibt?

Mit welchen Folgen müssen wir noch rechnen?
Was passiert, wenn sich die Rindermast in Österreich für den einzelnen Bauern nicht mehr rechnet? „Für viele Rinderbauern bedeutet das das Aus – davon kann keiner mehr leben!“ meint Josef Fradler, Obmann der ARGE Rind. „Seit Österreichs Beitritt zur EU haben über 1/3 der heimischen Rindermäster ihre Produktion eingestellt. Sollte Mercosur in dieser Form abgeschlossen werden, würden viele Rinderbauern in Österreich das nicht überleben!“

Doch die Konsequenzen sind weitreichender als es auf den ersten Blick erscheint. Kommt es zu noch mehr Betriebsschließungen, gäbe es weniger Rindfleisch aus Österreich, der Rindfleisch-Konsum würde deshalb jedoch nicht zurückgehen. Gerade durch die Corona-Krise wurde verdeutlicht, wie wichtig es ist, regional zu produzieren und nicht von Importen abzuhängen. Durch den Rückgang von Produktionsbetrieben würde sich der Selbstversorgungsgrad bei Rindfleisch in Österreich deutlich senken. Die Folgen sind absehbar.

Können Rinderbauern vor allem in den Berg- und Grünlandgebieten nicht überleben, würde das massive Konsequenzen für die österreichische Kulturlandschaft (Almgebiete,...) haben – ein Aspekt, der oft völlig übersehen wird. Durch die Landschaftspflege von Rindern erhalten die heimischen Almen und Bergregionen erst ihr charakteristisches Aussehen, das viele Österreich-Touristen anzieht. Grünlandflächen können generell nur über Rinder und Wiederkäuer bewirtschaftet werden. Würde dies wegfallen, wären die Auswirkungen auf den Tourismus sowie auf die österreichische Wirtschaft immens. Aktuelle Studien zeigen, dass in Folge der Pandemie das heimische Wirtschaftswachstum hinter dem EU-Durchschnitt liegt – der Grund? Der Tourismus nimmt im Vergleich zu anderen EU-Ländern einen wesentlich höheren Anteil an der Gesamtwirtschaft ein.
Diese Folgeerscheinungen von Mercosur auf Kulturlandschaft und Tourismus in Österreich sind unbedingt mit in die Waagschale zu legen.

Klimastudie – Wie hoch ist die CO2-Belastung in Österreich durch Rinder wirklich?
Die ARGE Rind hat 2020 eine Studie bei Dr. Stefan Hörtenhuber, BOKU Wien, in Auftrag gegeben: „Klimaauswirkungen der österreichischen Rindfleischerzeugung“!
Grundsätzlich ist die Rindfleisch-Produktion in Österreich vergleichsweise Klima-freundlich. Bereits 2011 hat eine Studie der EU-Kommission gezeigt, dass die heimische Rindfleisch-Produktion im EU-Vergleich mit den niedrigsten Emissionswerten behaftet ist.

DI Werner Habermann, Geschäftsführer der ARGE Rind, „Am spannendsten ist der direkte Vergleich mit Brasilien: Stellt man die Emissionszahlen aus der österreichischen Rindfleischproduktion denen aus Brasilien gegenüber, erhält man eine Relation von 1:6. Das bedeutet, dass bei der Rindfleischproduktion in Österreich 15–20 kg CO2 je nach Produktionsform anfallen, in Brasilien hingegen ca. 115 kg. Berechnet man die Abrodung des Regenwaldes, der für eine Tierhaltung notwendig ist, zusätzlich mit ein, erhört sich das brasilianische Äquivalent auf 750 kg CO2 pro 1 kg Rindfleisch! Die Entscheidung zu österreichischem Rindfleisch ist damit ein direkter Hebel zur Unterstützung der Umwelt!“

ARGE Rind: „Herkunftskennzeichnung muss kommen!“
Aus den eben angeführten Gründen (Verdrängungswettbewerb, niedrigere Produktionsstandards, Bauernsterben, Selbstversorgungsgrad, Pflege der Kulturlandschaft mit Auswirkungen auf den Tourismus sowie CO2-Abdruck) spricht sich die ARGE Rind massiv gegen ein Mercosur-Abkommen aus.
Werner Habermann fordert „ ... eine Herkunftskennzeichnung für die Gastronomie sowie für die Gemeinschaftsverpflegung. Mittels eines Stufenplans soll es in diesen Bereichen für den Konsumenten transparent sein, woher das Fleisch auf seinem Teller stammt!“

Josef Fradler legt noch nach, indem er direkt an die Konsumenten und die Gastronomie appelliert: „Wir vertreten in Österreich rund 30.000 Rinderbauern. In Krisenzeiten wie Corona haben auch die österreichischen Konsumenten bemerkt, wie wichtig es ist, nicht von Importen abhängig zu sein. Das Bewusstsein bei Konsumenten für regionale bzw. österreichische Produkte ist so hoch wie noch nie. Wir fordern daher auch die Gastronomie auf, auf diesen Zug aufzuspringen und mehrheitlich österreichisches Rindfleisch auf ihre Karte zu setzen. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen können wir diese Krise bewältigen!“


ARGE Rind will klima-neutral produzieren
Habermann und Fradler setzen sich ein hohes Ziel, das die Forderung für mehr Nachhaltigkeit aufgreift: „Durch zahlreiche Qualitätsprogramme der ARGE Rind und vermehrte Regionalprogramme (Rindfleisch à la Carte, Cultbeef, Premium Rind, Kärntner Fleisch, Kalb rosé, etc.) haben wir es geschafft, uns vom Weltmarkt abzuheben. Entlang der Wertschöpfungskette gibt es zahlreiche Initiativen für die Gastronomie und die Konsumenten sowie eine Einkommensabsicherung für die Bauern. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Klima-neutral zu produzieren! Der Konsument soll guten Gewissens zu österreichischem Rindfleisch greifen können und damit wissen, dass dieses Stück Fleisch nicht tausende Kilometer zurückgelegt hat, sondern nachhaltig und in Österreich produziert wurde!“